Hester Harvey wird am 22. Februar 1896 in Südafrika geboren. In den 1920er Jahren arbeitet sie als Schauspielerin und Entertainerin in Berlin. Sie spielt in verschiedenen Stummfilmen, darunter in „Das Floß der Toten“ (1921). Ab 1928 ist sie im Haus Vaterland als Sängerin und Tänzerin engagiert. Dort tritt sie in der „Wildwest Bar“ mit den Arizona Girls, einer Schwarzen weiblichen Gesangs- und Tanzformation, auf.
In den späten 1930er Jahren arbeitet Harvey erneut als Schauspielerin – diesmal in Schweden. Als Nebendarstellerin in Filmen wie „John Ericsson“ (1937) und „Dollar“ (1938) ist sie unter anderem an der Seite von Ingrid Bergman zu sehen. Am 19. November 1976 stirbt sie in Göteborg.
Obwohl Harvey im Berlin der 1920er Jahre zu einiger Berühmtheit gelangt, lässt sich über ihr Leben kaum etwas in Erfahrung bringen: Wann, warum und auf welchem Weg ist sie nach Deutschland gekommen? Wie hat sie in Berlin gelebt? Wie lange ist sie in der deutschen Filmindustrie tätig? Wann geht sie nach Schweden? Was für ein Leben führt sie in den darauffolgenden vier Jahrzehnten?
Auch über andere Schwarze Entertainer*innen aus Harveys Generation lassen sich nur wenige Informationen finden. Viele wirken zwar, ebenso wie sie, in Filmproduktionen der 1920er und 1930er Jahre mit, doch ihre Namen tauchen häufig nicht einmal im Abspann auf. Da Filmhistoriker*innen diese Geschichten kaum aufgearbeitet haben, sind Schwarze (deutsche) Lebenswege und Berufsbiographien selten dokumentiert und heute nur in wenigen Einzelfällen nachvollziehbar. Für die Geschichten von Schwarzen Entertainerinnen gilt dies in besonderem Maße. Hier greift das historische Schweigen zweifach: in der Verdrängung von Schwarzer Geschichte und der Geschichte von Frauen.
Gut nachvollziehbar sind allerdings die Rollen, welche die deutsche Filmindustrie für Schwarze Darsteller*innen vorsieht. Ungeachtet ihrer beruflichen Erfahrungen sollen sie vor allem eines verkörpern: weiße Männerphantasien und koloniale Klischees. Auch Harvey muss sich mit solchen Rollen begnügen – in Deutschland und in Schweden.
An rassistischen Rollenklischees hat sich bis heute nur wenig geändert. Astrid Berger, die nach 1945 in einigen Filmen und Bühnenstücken spielt, stellt fest: „Es werden keine schauspielerischen Fähigkeiten von dir verlangt, nur daß du anders aussiehst.“ Ihre Kollegin Nisma Cherrat wird noch deutlicher: „Mit meiner Sichtweise darauf, wofür viele Schwarze Frauenrollen stehen, befinde ich mich in einem permanenten Konflikt.“