Die Geschichte der Firma M. Kempinski & Co. beginnt 1862 mit einem Weinhandel in Breslau. Dass daraus in nur wenigen Jahrzehnten ein Großunternehmen entsteht, verdankt sich dem Geschick von Berthold und Helene Kempinski. Das Erfolgsrezept des Ehepaars, das 1872 in der Berliner Friedrichstraße eine Weinhandlung mit kleinem Geschäftslokal eröffnet, ist einfach, aber ungewöhnlich: Serviert wird, was zu gutem Wein passt, und diesen Genuss soll sich jede*r leisten können. Die Erfindung der berühmten „Halben Portion“ für Gäste mit weniger Geld findet bei der Kundschaft begeisterten Zuspruch.
Vor dem Ersten Weltkrieg betreibt Kempinski neben dem Weinhandel ein Großrestaurant mit mehreren Sälen und einer eigenen Bäckerei, außerdem ein Delikatessengeschäft. In den Weinstuben können über 2.000 Gäste gleichzeitig bewirtet werden. Der Weinkeller ist der größte Berlins. Anfang der 1920er Jahre weitet das Unternehmen seine Aktivitäten auf den Lebensmittelhandel und den Restaurantbetrieb aus. Die Produktpalette ist außergewöhnlich und kann sogar per Katalog bestellt werden. 1928 erfolgt mit der Eröffnung des Haus Vaterland der Vorstoß in die Massen- und Vergnügungsgastronomie.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 hat der Familienbetrieb keine Chance. Der Boykott jüdischer Geschäfte wirkt sich verheerend aus; Banken erlegen dem Unternehmen schlechtere Konditionen auf; die Geschäftsführer werden aus Berufsverbänden und Gremien ausgeschlossen. Am 1. Juli 1937 erfolgt die „Arisierung“: Die Aschinger AG übernimmt die Kempinski-Betriebe. Der letzte, in Deutschland gebliebene Gesellschafter, Walter Unger, kämpft bis zuletzt und bezahlt seinen Einsatz mit dem Leben. 1944 wird er in Auschwitz ermordet.
Nach 1945 bemüht sich Friedrich W. Unger, einer der Enkel Berthold Kempinskis, um einen geschäftlichen Neubeginn, doch dieser Versuch scheitert. Heute gehört der Name „Kempinski“ einer Luxushotel-Kette, die mit dem zweifelhaften Slogan „über 100 Jahre Erfolgsgeschichte“ wirbt. Die Konzernchronik weist jedoch bemerkenswerte Lücken auf: Unerwähnt bleibt, dass ein wesentlicher Teil dieses „Erfolgs“ auf der Zerschlagung des gleichnamigen jüdischen Familienunternehmens beruht. Unerwähnt bleibt, dass der Name „Kempinski“ bis 1945 nichts mit der Hotelbranche zu tun hat. Unerwähnt bleibt auch, dass der Konzern – ein direkter Nachfahre des einstigen „Arisierers“ Aschinger – erst 1994, nach vielen Jahren des öffentlichen Protests von Fritz Teppich, eine Gedenktafel am Bristol Hotel Kempinski am Ku’damm anbringt. Diese Tafel ist der einzige öffentliche Hinweis, auf den der Konzern sich einlässt und er bleibt unbefriedigend, weil sein Inhalt die Unternehmensgeschichte auf vielfache Weise nach wie vor verzerrt.