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Miraz Bezar (*1971)

„Gewalt existiert weiter, wenn sie nicht thematisiert werden kann.“



Miraz Bezar wird 1971 in Anka­ra ge­bo­ren und wächst in einer poli­tisch akti­ven, kur­di­schen Fami­lie auf. Als er neun Jahre alt ist, zieht die Fami­lie nach Deut­sch­land um und lässt sich in Bre­men nie­der. Schon früh­­zei­tig inte­res­siert er sich für das Medium Film.

Mitte der 1990er Jahre be­ginnt Bezar ein Regie­stu­dium an der Deut­schen Film- und Fern­seh­aka­de­mie in Ber­lin. Er dreht meh­re­re Kurz­fil­me, die auf inter­na­tio­na­len Fes­ti­­vals lau­fen und prä­miert wer­den. Als Filme­ma­cher ist ihm daran ge­le­gen, poli­ti­sche The­men künst­le­risch zu ver­ar­bei­ten und sie so sicht­bar und zu­gäng­lich zu machen.

Für die Recher­chen zu sei­nem ers­ten Lang­spiel­film „Min Dît – Die Kin­der von Diyar­bakır“ zieht Bezar für eini­ge Jah­re nach Diyarbakır. Der mehr­fach preis­­ge­­krön­te Film wird unter schwie­rigs­ten Be­din­gun­gen rea­li­siert und hat 2009 Pre­­mie­­re. Er er­zählt die Ge­schich­te zwei­er Ge­schwis­ter, de­ren Eltern vom JITEM, einer ge­­hei­­men para­mili­tä­ri­schen Ein­heit der tür­ki­schen Gen­dar­me­rie, er­mor­det wer­den. Ent­schei­dend für den Re­gis­seur ist die Frage, „wie man als Opfer der Ge­­walt ande­re Wege fin­den kann, die Ge­walt zu be­en­den“. „Min Dît“ ist der erste kur­disch­spra­ch­i­ge Film, der je in der Tür­kei ge­dreht und im natio­na­len Wett­be­werb des wich­­tigs­­ten tür­ki­schen Fes­ti­vals von Antal­ya ge­zeigt wird.

Im Theaterbereich arbeitet Bezar mit dem Ballhaus Naunynstrasse und dem Maxim Gorki Theater zusammen, wo er mehrere Stücke inszeniert hat und an ver­schie­de­nen Projekten beteiligt ist. Beide Häuser legen einen zentralen Schwer­punkt auf „post­migrantische Re­präsen­tationen“. Mit ihrem kritischen Ver­ständnis von Theater stellen sie nicht nur Fragen nach identitären Konzepten, Wahrnehmungen und Zu­schrei­bungen, sondern rücken auch die Verteilung von Ressourcen und, damit ver­bun­den, das Recht auf künstlerische Mitsprache und Mitgestaltung in den Blick. Dies ist im deutschen Kulturbetrieb nach wie vor eine große Ausnahme. 

Seit 2013 leitet Bezar die öffentliche Gruppe „NSU Monitor“ auf Facebook, wo Ent­wick­lung­en über den NSU-Prozess dokumentiert und der Umgang mit den NSU- Mor­den zur Diskussion gestellt wird. 

Erläuterungen: Hrant Dink  /  Tiefer Staat

Für Filmemacher*innen wie Miraz Bezar, die politische Themen aufgreifen und ge­sell­schafts­politischen Veränderungen verpflichtet sind, bleibt die Arbeit schwierig. Denn leider sind die Möglichkeiten für das Erzählen von grenzüberschreitenden, nicht allein in Deutschland beheimateten, Geschichten noch immer rar.


Das Skype-Interview mit Miraz Bezar führte Savaş Taş.