Anna Boros gehört zu den Menschen, die ihr Leben dem Einsatz und Einfallsreichtum ihres Hausarztes Dr. Helmy verdanken. Zu ihrem Schutz und ihrer Rettung trägt ein Netz an Freund*innen bei. Als Anna den Arzt der Familie um Hilfe bittet, setzt sich Dr. Helmy sofort für sie und ihre Familie ein. Die Großmutter und später auch die Eltern bringt er bei verschiedenen vertrauenswürdigen Bekannten unter. Anna versteckt er bei sich, in Wohnung und Praxis, im Keller und in der Gartenlaube. Die 16-jährige Jüdin, die aufgrund der rassistischen Gesetze die Schule abbrechen und ihre Ausbildung zur Kinderkrankenschwester nicht antreten darf, ist nun in Sicherheit und kann sogar in der Praxis mithelfen.
Anna Boros' Ausweis als Opfer des Faschismus, 1946 ©LABO
Dr. Mohamed Helmy entwirft einen dreistufigen Plan, um Anna Boros zu retten. Zunächst arrangiert er ihre Konversion zum Islam. Die Bezeugung organisiert Dr. Kamal el-Din Galal, Generalsekretär des Islamischen Zentral-Instituts zu Berlin. Galal und Helmy waren zur gleichen Zeit aus Ägypten zum Studium nach Berlin gekommen und hatten zusammen Deutsch gelernt. Dr. Galal kämpft nach beendetem Studium von Berlin aus gegen die britische Besatzung in Ägypten. Hierzu nutzt der antikoloniale Kämpfer seine Position als Generalsekretär unter der Schirmherrschaft des Großmuftis Amin al-Husseini, der wiederum mit den Nazis kollaboriert. Von seiner Position macht Galal Gebrauch, um der Jüdin Anna zu helfen.
Anna heißt nun Nadja und trägt Kopftuch. Dr. Helmy stellt sie als Nichte aus Dresden vor, die ihm in der Praxis assistiert. Eine Woche später findet die zweite Stufe des Planes statt: die – ebenfalls fingierte – muslimische Heirat zwischen Anna alias Nadja und dem Jazzmusiker Abdel Aziz Helmy Hammad. Helmy und Hammad, der ebenfalls zum Studium aus Ägypten nach Berlin kommt, lernen sich in der Gestapo-Haft kennen und werden Freunde.
Als Söhne gut situierter Familien waren sie zusammen mit 122 weiteren ägyptischen, irakischen und palästinensischen Staatsangehörigen ihrer britisch kontrollierten Herkunftsländer in Gestapo-Haft genommen worden – zum Gefangenenaustausch mit deutschen Staatsangehörigen, so die Vorstellung der Nazis. Entgangen ist diesen, dass die inhaftierten ‚Ausländer‘ inzwischen in Deutschland zu Hause sind und kaum noch Kontakt in die ‚Heimat‘ haben, in der außerdem nicht die einheimischen Eltern oder die ägyptische Regierung, sondern die britische Kolonialherrschaft über deutsche Gefangene entscheidet.
Dr. Mohamed Helmy (Mitte) mit Freunden ©AdsD / Friedrich-Ebert-Stiftung
Nachdem die Heirat zwischen Anna/Nadja und ihrem ägyptischen Ehemann nach islamischem Recht (Sharia) dokumentiert und durch zwei ägyptische, muslimische Migranten bezeugt wird, soll sie nun von den Behörden anerkannt werden, so dass die einst jüdische Rumänin die Staatsangehörigkeit ihres Mannes erhält und als muslimische Ägypterin das nationalsozialistische Deutschland verlassen kann. So lautet jedenfalls die dritte Stufe des Plans. Die Behörden erkennen aber die Heirat nicht an. Auch Dr. Helmy wird keine Ehefähigkeit ausgestellt, so dass er und seine ‚arische‘ Verlobte, die ebenfalls mitgeholfen hatte, Anna zu verstecken, nicht heiraten können. Dr. Helmys Versuch, Anna zu adoptieren, schlägt ebenfalls fehlt. Sie muss in Berlin bleiben und überlebt im Versteck.