Ilona Lagrene (*1950)
„Es war uns wichtig, unseren Menschen eine Stimme zu geben, den Überlebenden, aber auch denen, die nicht mehr zurückgekommen sind"
Ilona Lagrene wird 1950 in Heidelberg geboren. Bereits als kleines Mädchen ist sie mit den Folgen des Manuschengromarepen konfrontiert: durch ihre eigene Familiengeschichte und durch die Erzählungen von überlebenden Angehörigen, Freund*innen und Bekannten. Als sie den Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung Reinhold Lagrene heiratet, sind daheim wie auch bei politischen Treffen Gespräche über „die Braunen im Amt“ alltäglich. Die „Zweite Verfolgung“ – das Verleugnen des Völkermords, das Verweigern von Entschädigungen und die erneute rassistische Sondererfassung – ist für die Betroffenen mit drängenden, oftmals existentiellen Fragen verbunden.
1986 wird, nach vielen Jahren Bürgerrechtsarbeit, der Landesverband Deutscher Sinti Baden-Württemberg gegründet, zu dessen Mitbegründer*innen Ilona Lagrene gehört. Drei Jahre später erfolgt die feierliche Eröffnung der Beratungsstelle in Heidelberg. Von 1990 bis 1996 ist Ilona Lagrene Vorsitzende des Landesverbandes, der im Jahr ihres Amtsantritts in Verband Deutscher Sinti und Roma umbenannt wird.
Im Landesverband ist sie mit alltagspraktischen Beratungen zu Fragen der Existenzsicherung, Ausbildung und Entschädigung beschäftigt. Sie widmet sich auch der kulturellen Förderung, der Antidiskriminierungsarbeit sowie der Dokumentation und Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte. Frühzeitig beginnen Ilona und Reinhold Lagrene damit, Zeitzeug*innen des Völkermords (Manuschengromarepen) zu interviewen, um die Erinnerung an das erlittene Leid zu bewahren und auf würdige Weise sichtbar und zugänglich zu machen.
Im Zuge ihrer erinnerungspolitischen Arbeit ist Ilona Lagrene immer wieder mit dem gesellschaftlichen Unwillen zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen konfrontiert. Jede öffentliche Zeichensetzung muss hartnäckig erkämpft werden. Die Gedenktafel am Bahnhof in Asperg, von wo aus im Mai 1940 die erste große Deportation südwestdeutscher Sinti und Roma erfolgt, kann erst 1995 – nach dreijähriger Auseinandersetzung mit der Bahn AG – eingeweiht werden. Auch der Gedenktafel an der Stiftskirche in Tübingen gehen mehrjährige politische Auseinandersetzungen mit der Stadt voraus – und das, obwohl die Verfolgung von Sinti und Roma hier einen ihrer wichtigsten Ausgangspunkte hat.
An den Kämpfen für ein zentrales Denkmal-Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist Ilona Lagrene unermüdlich beteiligt. Die Zusammenarbeit mit den Überlebenden und ihre erinnerungspolitische Arbeit beschreibt sie als Lebenswerk und Motor ihres bis heute andauernden Engagements.
Frühzeitig beginnen Ilona und Reinhold Lagrene damit, Zeitzeug*innen des Völkermords (Manuschengromarepen) zu interviewen, um die Erinnerung an das erlittene Leid zu bewahren und auf würdige Weise sichtbar und zugänglich zu machen. Sie halten die Interviews im Buch "weggekommen. Berichte und Zeugnisse von Sinti, die die NS-Verfolgung überlebt haben, fest. Auch von Ilona Lagrenes älterer Schwester Renate Meinhardt, 1934 geboren und 1940 deportiert, ist ein Zeitzeug*innenbericht erhalten. In der folgenden Lesung trägt ihn Ilona Lagrene vor, zusammen mit einem Brief ihrer Cousine Berta Reinhard (geboren 1928), den diese aus dem Konzentrationslager Ravensbrück geschrieben hatte.
Die Lesung fand im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Projekts "Erinnerungsorte" an der Akademie des Jüdischen Museums Berlin statt