Sephardim in Berlin

„Para lo pasado no ay remedio“

Reproduktion der Schlüssel von Sevilla aus dem 13. Jahrhundert mit Inschriften in Hebräisch und Arabisch

Als Sephardim bezeichnen sich Menschen jüdischen Glaubens, deren Vorfahren bis zu ihrer Vertreibung durch spanische und portugiesische Christ*innen auf der Ibe­ri­schen Halbinsel leben. Mit dem antijüdischen „Alhambra-Edikt“ von 1492 und der Einführung der Inquisition in Portugal 1531 werden zwei große Verfolgungs­wellen initiiert. Ihnen voraus gehen Zwangs­taufen, religiös motivierte Morde und Pogrome.

Viele Sephardim flüchten in Regionen, die zum Osmanischen Reich gehören. Sie gehen nach Féz, Casablanca, Istanbul, Kairo oder Jerusalem. Andere siedeln sich in Thessaloniki, Venedig, Bordeaux und Livorno, später auch in Ham­burg, London und Amsterdam an. Sephardische Communities entstehen außerdem in Nord- und Süd­amerika, der Karibik und Ende des 19. Jahrhunderts auch in einigen afri­kanischen Ländern, z.B. im Kongo und in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe.

Nach Berlin gelangen Sephardim auf verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Gründen: im 17. Jahrhundert als Glaubensflüchtlinge aus Wien; im 17. und 18. Jahr­hundert als Händler, Kaufleute, Kunsthandwerker oder höfische Bedienstete aus Hamburg, Prag und den Niederlanden; im 19. und 20. Jahrhundert als Geschäfts­leute, Lehrende oder Arbeitssuchende aus dem Osmanischen Reich. Die erste Ge­ne­ra­tion tür­ki­scher Mi­g­rant*in­nen in West­euro­pa wird über­wie­gend von Juden und Jüd*in­nen ge­stellt.

Insbesondere die letzte Zuwanderungswelle trägt dazu bei, dass sich in Berlin eine sephardische Community etablieren kann. Doch bereits zuvor treten einzelne se­phar­di­sche Per­­sön­­lich­­kei­ten in Er­schei­nung. Unter ihnen sind Hen­riet­te Julie Herz, geb. de Lemos (1764-1847), Schrift­stellerin und Ini­tia­to­rin eines füh­ren­den Lite­ra­ri­schen Salons, sowie Jeanette Schwerin, geb. Abarbanell (1852- 1899), Frauen­recht­le­rin und Weg­be­rei­te­rin der Sozia­len Arbeit in Deutsch­land.

1905 wird der Israelitisch-Sephardische Verein gegründet. Er zählt 500 Mitglieder. Ihm angeschlossen sind eine private Synagoge und eine Schule in der Lützowstraße 111. Besonderer Wert wird auf die Vermittlung von Kultur und Sprache gelegt; Got­tes­dienste und Unterricht werden auf Ladino abgehalten. Auch über die Grenzen Deutschlands setzen sich Sephardim für eine Stärkung ihrer Kultur ein. Dafür wird 1935 die Union universelle des communautés sépharades in Wien gegründet.

Die nationalsozialistische Herrschaft macht diese frühen transnationalen Be­stre­bungen zunichte. Obwohl sephardische Berliner*innen mit türkischem Pass von der Verfolgung durch die Nazis zunächst verschont bleiben, ist dies – wie die Geschichte der Familie Behar zeigt – nur von kurzer Dauer. Über ihre Schicksale und Lebens­wege ist wenig bekannt. Ebensowenig bekannt ist, dass die meisten Opfer der Shoah in Südosteuropa und Griechenland Sephardim gewesen sind.