Einleitung  >  Menschen  >  Isaak Behar

Isaak Behar (1923 – 2011)

„Je mehr ich diskriminiert wurde, desto jüdischer wurde ich...“



Isaak Behar wird am 6. September 1923 als jüngstes von drei Geschwistern in Ber­lin ge­boren. Seine Eltern, Nissim und Lea Behar, leben noch nicht lange in der Stadt. Das jüdische Ehe­paar mit tür­kischer Staats­angehörig­keit ist 1915 aus Is­tan­bul eingewandert. Als Sephardim gehören die Behars zu einer Minderheit innerhalb der jüdischen Ge­mein­schaft in Deutsch­land, doch die kleine sephardische Gemeinde in Ber­lin ist gut organisiert. Man kennt und unterstützt sich.

Familie Behar, um 1930: links Nissim und Lea Behar; rechts Alegrina, Jeanne und Isaak Behar

Trotzdem erweist es sich als fast unmöglich, im Ersten Weltkrieg einen aus­rei­chen­den Lebens­unterhalt zu verdienen. Immerhin hat die Familie aufgrund der Bündnis­politik mit dem Osmanischen Reich kaum Unannehmlichkeiten. Nissim Behar findet eine Anstellung als Teppichstopfer und arbeitet sich langsam nach oben. Als er wirt­schaft­lich endlich Fuß fassen kann, sind die Nationalsozialisten an der Macht.

Von den ersten antisemitischen Gesetzgebungen 1933/34 ist die Familie noch nicht betroffen und bleibt wegen ihrer türkischen Staatsbürgerschaft von den Behörden vorerst unbehelligt. Doch das ändert wenig an der gesellschaftlichen Stimmung. In der Nacht des 9. November 1938 sehen die Behars von ihrer Wohnung aus, wie die Synagoge in der Fasanenstraße in Brand gesteckt wird.

Im April 1939 zieht das Türkische Konsulat die Pässe der Familie ein, angeblich, um sie zu überprüfen. Die Pässe werden nicht wieder ausgehändigt, was die Behars zu „Staatenlosen“ macht. Nun sind sie dem nationalsozialistischen Regime aus­ge­lief­ert. 1941/42 wird die gesamte Familie zur Zwangsarbeit verpflichtet. Isaak Behar und sein Vater schuften in einer Militärfärberei, seine Schwestern Alegrina und Jean­ne in einer Spinnstofffabrik.

Im Mai 1942 entgeht die Familie nur knapp der Deportation. Doch die Gestapo schlägt erneut zu. Als Isaak Behar von einer Freundin nach Hause kommt, ist alles anders: „Es ist Sonntag, der 13. Dezember 1942. Heute musste ich ein neues Leben be­gin­nen. [...] Ich habe keine Familie mehr. Keine Freunde. Kein Zuhause. Ich muss allein le­ben. Im Untergrund. Im Versteck. Nur so habe ich eine Chance zu überleben. Ich bin 19 Jahre alt“.

Jedes Jahr am 9. November besucht Isaak Behar das Mahnmal „Gleis 17“ des Bahn­hofs Berlin-Grunewald und betet dort das Kaddisch. Dass seine Familie in Ausch­witz ermordet wurde, überwindet er nie. Doch er findet einen Weg, damit umzugehen: in seiner Arbeit als Zeitzeuge und in seinem Engagement für die sephardische Ge­mein­de. 2006 wird in Berlin, auch auf seine Bemühungen hin, die erste sephar­di­sche Synagoge nach der Shoah eröffnet. Bis zu seinem Tod im Jahr 2011 arbeitet Behar als Gemeindeältester. In der Kantstraße 154a liegen die Stolpersteine für Nissim, Lea, Alegrina und Jeanne Behar.

Stolpersteine zum Gedenken an die Familie Behar, verlegt am 5. September 2003