Zwangsarbeit von Juden und Jüd*innen: Die „Schikanepromenade“
Elisabeth Freund, 1942
„Wir warten schon seit zwei Stunden hier auf dem Berliner Arbeitsamt für Juden in der Fontanepromenade. [...] Die Fülle in den zwei Warteräumen, für Männer und Frauen getrennt, ist so groß, daß man kaum Platz zum Stehen hat. [...] Man ahnt gar nicht, daß es noch soviel arbeitsfähige Juden in Berlin gibt. Aber sind sie denn wirklich arbeitsfähig? In diesem Raum sind soviel ganz alte Leute dabei.“ Elisabeth Freund
Am 17. Dezember 1938 verbietet das Arbeitsamt Berlin jüdischen Menschen das Betreten seiner Diensträume. Wenige Tage später richtet es in der Fontanepromenade 15 eine gesonderte Abteilung ein: die Zentrale Dienststelle für Juden. Die „Schikanepromenade“, wie sie von den Betroffenen genannt wird, ist ein wichtiger, mit Leid verbundener Ort der Verfolgung. Hier werden die von den NS-Behörden systematisch entrechteten, arbeits- und mittellos gemachten Berliner Juden und Jüd*innen erfasst und zwangsverpflichtet.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs steigt der Bedarf an Arbeitskräften. Im Sommer 1941 werden fast 30.000 Berliner*innen im Alter von 15 bis 65 Jahren als „arbeitsfähig“ eingestuft, über die Hälfte von ihnen sind Frauen. Die Angestellten der Fontanepromenade weisen den Menschen schwere körperliche, oft gesundheitsschädliche Beschäftigungen vor allem in der Rüstungsindustrie zu.
„Wie die meisten Betriebe war auch [die Militärfärberei Bergmann] bei Kriegsbeginn als militärisch wichtiger Versorgungsbetrieb eingestuft worden. [...] Im Erdgeschoß schufteten zwangsverpflichtete Juden an riesigen Bottichen, in denen erbeutete Militärmäntel grün gefärbt wurden. Es war dort unerträglich heiß und feucht, und die chemische Farbe verbreitete einen giftigen Gestank.“ Isaak Behar
Trotz großer persönlicher Gefahr wehren sich viele Menschen. Sie versuchen der Erfassung zu entkommen, behindern durch langsames Arbeiten die Produktion oder fliehen ins Ausland. Am 23. Oktober 1941 ergeht eine geheime Anordnung, um die Ausreise jüdischer Menschen zu verhindern. Zeitgleich beginnt ihre Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Das Arbeitsamt in der Fontanepromenade erstellt dafür in Absprache mit den Unternehmen Listen zwangsbeschäftigter Personen. Am 27. Februar 1943 werden die meisten der noch verbliebenen jüdischen Zwangsarbeiter*innen verhaftet und nach Auschwitz deportiert.
Nach 1945 wird das Gebäude von der „Gemeinschaft Christi“ als Kirche genutzt. Seit 2011 steht es zum Verkauf. Erst 2013 wird auf Initiative der Anwohnerin Stella Flatten eine Gedenktafel angebracht.
Gedenktafel in der Fontanepromenade 15, 2013