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Kwassi Bruce (1893 – 1964)

„Wir sind nie als Eroberer nach Europa gekommen. Europa kam nach Afrika!“



Kwassi Bruce wird am 11. Mai 1893 in Anecho / Togo geboren. Drei Jahre später kom­mt er zum ersten Mal nach Deutschland: Zusammen mit seinem Vater Nayo Bruce und seiner Mutter Ohui Creppy gehört er zu den über einhundert Afri­ka­­ner*­in­nen, die für die „Deutsche Colonial-Ausstellung“ in Berlin-Treptow verpflichtet wor­den sind. Für sieben Monate müssen sich die Darsteller*innen in der bis dahin größten Völkerschau vom Publikum anstarren lassen und sollen für das deutsche Kolonialreich werben.

Die Eltern von Kwassi Bruce touren im Anschluss mit ihrer „Togo-Truppe“ durch Europa. Um ihrem Sohn den Besuch der Schule und eine Ausbildung zu er­mög­lichen, geben sie ihn bei Bruno Antelmann, dem Inhaber des Deutschen Kolonial­hauses, in Pflege. Obwohl dieser seine afrikanischen und ozeanischen „Pfleglinge“ dazu be­nutzt, den Ver­kauf seiner Pro­duk­te an­zu­kur­beln, kann Bruce das Gym­­na­­sium und da­nach ein pri­va­tes Kon­ser­va­to­rium be­su­chen, wo er zum Pia­nis­ten aus­­ge­bil­det wird.

Bruce (2. von rechts) als Gymnasiast in Berlin, 1905

1913 bereist der zwanzigjährige Bruce erstmals sein Geburtsland Togo und wird vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht. Er meldet sich vor Ort beim deut­schen Militär und gerät nach der Niederlage der deutschen Kolonialtruppen in Kriegs­­gefangen­­schaft. Danach kehrt er zurück nach Berlin. Eine Zeitlang ist der be­gab­te Pianist im Charlotten­burger Opern­haus als Klavierrepetitor tätig, doch mit klassischer Musik kann er kein Geld verdienen. Er gründet eine auf Unter­haltungs­musik und Jazz ausgerichtete Kapelle und tourt im In- und Ausland. Als einer von ganz wenigen Kolonialmigrant*innen wird er 1926 als „Reichsdeutscher“ ein­ge­bür­gert.

Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wird es für Bruce immer schwerer, in seinem Beruf zu arbeiten. Im April 1933 entlässt ihn der Besitzer eines Wein­re­stau­rants aus einem festen Engagement. Die Begründung: Das Publikum will keine Schwar­zen Musiker mehr sehen. 1934 wendet sich Bruce mit einer Denkschrift an die Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, in der er den zunehmenden Rassismus und die verzweifelte Lebenssituation von Schwarzen Menschen in Deutschland an­prangert.

Das Auswärtige Amt befürchtet, dass die prekäre Lage von Menschen afrikanischer Herkunft im Ausland als Argument gegen Deutschlands koloniale Ansprüche an­ge­führt werden könnte. Als Bruce 1935 um die Genehmigung einer Völkerschau bittet, die Unterhaltungselemente mit kolonialer Propaganda verbindet, wird ihm diese ge­währt. Die Deutsche Afrika-Schau ermöglicht vielen Afrikaner*innen und Afro­deut­schen das wirtschaftliche Überleben. Behördlicherseits dient sie jedoch vor allem der sozialen, politischen und sexuellen Kontrolle der Darsteller*innen. 1940 wird die Schau verboten.

Zu diesem Zeitpunkt ist Kwassi Bruce schon im Exil. Er kehrt 1949 nach Deutsch­land zurück, doch heimisch wird er hier nicht mehr. Zwei Jahre später zieht er mit seiner Familie nach Paris, wo er weiter als Pianist arbeitet und unter anderem mit der be­rühm­ten Enter­tai­ne­rin Jenny Alpha auf Tour geht. Kwassi Bruce stirbt am 11. Januar 1964.

Kwassi Bruce (Mitte hinten, am Klavier) auf Frankreich-Tournee mit Jenny Alpha und Band