Jerusalemer Straße 10: Das deutsche Kolonialhaus
Kolonialwirtschaft: Ein gewinnbringendes globalisiertes Geschäft
Anzeige des Deutschen Kolonialhauses in der Zeitschrift "Der Tropenpflanzer", vor 1903
„Wählt deutsch-koloniale Ostergeschenke!“ So heißt es im Frühjahr 1899 in einer Anzeige des Deutschen Kolonialhauses der Bruno Antelmann AG. Das Unternehmen bewirbt alles, was Genuss verspricht. Kakao aus Kamerun, Usambara-Mokka aus Ostafrika, Zigarren aus Ozeanien. Garantiert wird Qualität aus „deutschem Anbau“.
Die nationalistische Geschäftsstrategie des Hauses verknüpft Kolonialismus und Konsum. Diese Art der Kundenwerbung schlägt ein, nicht zuletzt, weil sich die Unternehmensleitung die Unterstützung der mächtigen Koloniallobby zu sichern weiß. Innerhalb weniger Jahre steigt die Bruno Antelmann AG mit insgesamt zehn Niederlassungen in Berlin und anderen deutschen Großstädten sowie mehreren hundert weiteren Verkaufsstellen zum größten Kolonialhandelshaus im Deutschen Reich auf. Antelmann – so stellt die Deutsche Kolonialzeitung anerkennend fest – hat den praktischen Beweis geliefert, „daß aus unseren Schutzgebieten Werte zu holen sind.“
Auch zahlreiche andere Unternehmen erkennen während der formalen deutschen Kolonialherrschaft von 1884 bis 1918, dass sich aus Kolonialbesitz Profit schlagen lässt. Neben der Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin (E.d.K. – heute EDEKA) sind dies immer mehr Kolonialbanken und Aktiengesellschaften, die in den Kolonien selbst aktiv werden. Und schließlich verarbeiten viele Berliner Firmen – darunter die großen Schokoladenfabriken Sarotti, Stollwerck und Hildebrandt oder die Farbenfabriken Krauthammer und Fritze – Rohstoffe, von denen ein kleiner, aber stetig wachsender Teil auch aus den als „deutsche Kolonien“ bezeichneten Territorien stammt.
Die Kolonialwirtschaft wird zu einem gewinnbringenden Bereich der Ökonomie. 1913 schütten die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft und die Deutsch-Westafrikanische Bank ihren Aktionär*innen Dividenden von bis zu 10 Prozent aus. Anders als es die Kolonialpropaganda glauben machen will, haben diese Profite nur wenig mit „deutscher Tatkraft“ oder einem „besonderen Geschick“ weißer Unternehmer*innen zu tun. Sie beruhen auf militärischer und administrativer Gewalt, auf der rücksichtslosen Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und auf einem brutal durchgesetzten System kolonialer Zwangsarbeit.
Um sich möglichst nachhaltig bereichern zu können, kommt der Ausbeutung – oder wie es verdinglichend heißt – der „Ausschöpfung der menschlichen Arbeitskraft in den Kolonien“ eine zentrale Rolle zu. Der Bankier, Großunternehmer und Kolonialbeamte Bernhard Dernburg formuliert es unverblümt: Für ihn sind kolonisierte Menschen das „wichtigste Aktivum“. Im Klartext: das wichtigste, zur Verfügung stehende Vermögen.