Einleitung  >  Menschen  >  May Ayim

May Ayim (1960 – 1996)

„meine heimat / ist / heute / der raum zwischen / gestern und morgen“



May Ayim wird am 3. Mai 1960 in Hamburg als Tochter eines ghana­ischen Vaters und einer weißen deutschen Mutter geboren. Sie wächst in einer weißen Pflege­­­familie auf. Diese Erfah­rung prägt sie, macht sie stark und ver­letz­lich zugleich, schärft ihren Blick für Brüche und Un­gereimt­heiten: „Der Umstand, nicht unter­tauchen zu können, hat mich zur aktiven Aus­­ein­ander­setzung ge­zwungen, die ich als [...] be­sondere Heraus­forde­rung zur Ehr­lich­keit empfin­de.“ Sie be­ginnt zu schrei­ben, zu forschen und sich poli­tisch zu enga­gie­ren.

Als Dich­te­rin und Sprach­thera­peu­tin ist May Ayim mit den ver­schie­de­nen Aspek­ten von Sprache ver­traut – auch mit der Gewalt, die sich in und über Sprache aus­drückt. Als Pä­da­go­gin und poli­tische Akti­vistin setzt sie sich mit unter­schied­lichen Dimen­sio­nen von Gewalt – auch aus­ge­übt in und über Sprache – aus­ein­ander und zeigt neue Wege auf. Ihre Inte­res­sen und Aus­rich­tun­gen sind breit ge­fä­chert.

1985/86 grün­det sie ge­mein­sam mit an­de­ren Afro­deutschen die bundes­weite Initia­tive Schwarze Men­schen in Deutsch­land (ISD). 1989 ist sie eine der Mit­grün­derin­nen des Lite­ra­tur­Frauen e.V. 1991 tritt sie dem Ver­band deutscher Schrift­stel­ler*innen bei. Ihre Diplom­arbeit in Pä­da­go­gik be­schäftigt sich mit Schwarzer deutscher Ge­schichte und wird zur Grund­lage der bis heute weg­weisen­den Ver­öffent­lichung „Farbe be­ken­nen“. Ihre Ab­schluss­arbeit als Logo­pädin schreibt sie über Rassis­mus und Sexis­mus in der Thera­pie.

Anfang der 1990er Jahre wird May Ayim auch inter­natio­nal als Dich­terin, Wissen­schaft­lerin und poli­tische Akti­vistin be­kannt. Sie er­hält Ein­ladun­gen zu Le­sun­gen und Kon­fe­ren­zen, steht im Aus­tausch mit Autor*in­nen, Künst­ler*in­nen und Wissen­schaft­ler*in­nen im In- und Aus­land. Ihre Ge­dichte be­wegen viele Menschen, ihre poli­tische Arbeit ver­eint Schwarze femi­nisti­sche Gesell­schafts­kritik und die Vision soli­da­ri­scher Bünd­nisse. Als sie schwer er­krankt und nicht mehr schreiben kann, bricht ihr Lebens­wille. Ihr Tod am 9. August 1996 ist ein großer Ver­lust.

Das Ver­mächt­nis, das May Ayim in akti­visti­schen, künst­le­ri­schen und wissen­schaft­lichen Zu­sam­men­hängen hinter­lässt, ist so viel­fältig wie ihr En­ga­ge­ment. Ge­nau­so viel­fältig ge­staltet sich auch die Er­in­ne­rung an ihre Per­son, ihr Wir­ken und ihr Werk. 2004 wird erst­mals ein May-Ayim-Award für Schwarze Deutsche Lite­ra­tur aus­ge­schrieben. 2010 ge­lingt nach lan­gen Käm­pfen in Berlin-Kreuz­berg die Um-/Be­nen­nung einer Straße, die seit­dem May-Ayim-Ufer heißt. Der­zeit wird an der Freien Uni­ver­si­tät Ber­lin ein May-Ayim-Archiv ein­ge­rich­tet.