Um-/Benennung von Straßen und Plätzen
Mit Otto Rosenberg und May Ayim werden im Stadtraum Berlin zwei Persönlichkeiten geehrt, die sich aktiv dafür eingesetzt haben, Rassismus öffentlich zu thematisieren. Dass heute zwei Straßen und ein Platz an ihr Engagement erinnern, ist ein Ergebnis langwieriger politischer Kämpfe. 2007 werden am Gedenkort des ehemaligen Zwangslagers in Marzahn eine Straße und ein Platz nach dem Bürgerrechtler Otto Rosenberg benannt. 2010 findet die Umbenennung des Gröbenufers in Kreuzberg statt. Anstelle eines preußischen Militärs, der für die koloniale Beteiligung Brandenburg-Preußens am Transatlantischen Versklavungshandel steht, trägt die Straße nun den Namen der Aktivistin, Dichterin und Wissenschaftlerin May Ayim.
Um die Um-/Benennung anderer Straßen, die historische Verbrechen verharmlosen, fragwürdige Personen würdigen und unkritisch an koloniale oder nationalsozialistische Deutungen von Geschichte anknüpfen, gibt es nach wie vor erbitterte Auseinandersetzungen. Dabei werden Konfliktzonen sichtbar, die herrschende Geschichtsbilder und Erinnerungspolitiken auf unterschiedliche Weise herausfordern. So wurde im Berlner Bezirk Wedding nach langanhaltenden Kämpfen diasporischer Communities und ihrer Unterstützer*innen bereits 2016 entschieden, den Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umzubenennen. Die Umbenennung ist jedoch bis heute nicht erfolgt.
Einige „Umbenennungen“ dienen eher der Verschleierung von unliebsamen historischen Epochen als ihrer Aufarbeitung. Die Petersallee im Afrikanischen Viertel – im Nationalsozialismus nach einem der größten Kolonialverbrecher benannt – wird 1986 einfach umgewidmet und ehrt nun einen CDU-Politiker gleichen Namens. Nach diesem Schema würde die Mehrheit am liebsten auch mit dem Nachtigalplatz und der Lüderitzstraße verfahren. Die Namen der beiden betrügerischen Begründer der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia, könnten so sang- und klanglos mit dem Namen eines Theologen bzw. einer namibischen Stadt überschrieben werden, den diese ihrem Kolonisator verdankt.
Gern werden im Vorfeld von Umbenennungen die Anwohner*innen befragt, denn die meisten stimmen in der Regel dagegen: zu teuer seien neue Briefköpfe, zu aufwendig der Gang zur Meldebehörde. Im Fall der Treitschkestraße, die an einen der einflussreichsten antisemitischen Historiker erinnert, baut das Aktionsbündnis für die Umbenennung diesem Argument vor und findet sogar einen Sponsor: Eine Druckerei bietet an, entstehende Kosten anteilig zu übernehmen. Trotzdem stimmt die Mehrheit der Anwohner*innen 2012 dagegen. Vielen sind Thema, Geschichte und Namensgeber ihrer Straße schlicht egal. Dass die Meinung von 226 Personen als „Mehrheits“entscheid für die erinnerungspolitische Gestaltung des Stadtraums gewertet wird, ist allerdings kein Beispiel für „direkte Demokratie“, sondern bedenklich.
Was bedeutet es, wenn Personen im öffentlichen Raum geehrt werden, die, wie Peters, für brutale Kolonialverbrechen stehen oder, wie Treitschke, als Wegbereiter des Holocaust gelten? Was sagt es über eine Erinnerungskultur und -politik aus, wenn herrschende Erzählungen allen Einsprüchen zum Trotz fortgeschrieben und kritische Diskussionen zugunsten von Wähler*innenstimmen vermieden werden? Und welche Zeichen werden gesetzt, wenn der Zusammenhang von Sprache und Gewalt verharmlost und wiederholte Hinweise darauf nicht ernst genommen oder ignoriert werden?