Otto Rosenberg (1927 – 2001)

„Unter wirklicher Gleichstellung verstehe ich, dass uns die ungehinderte Nutzung unserer de­mo­kra­ti­schen Rechte als Minderheit als selbst­­ver­­ständlich gewährt wird.“



Otto Rosenberg wird am 28. April 1927 im ostpreußischen Draugupönen geboren und wächst in Berlin auf. Im Sommer 1936 verschleppt die Polizei den Neun­jäh­ri­gen und dessen Familie ins Zwangslager Berlin-Marzahn. Dort muss er die nächsten Jahre unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, darf keine reguläre Schule mehr besuchen und wird im Rahmen der großangelegten rassistischen Erhebungen der Rassenhygienischen Forschungsstelle untersucht und erfasst.

Mit dreizehn wird Rosenberg zur Arbeit in einem Berliner Rüstungsbetrieb zwangs­verpflichtet. Dort wird er 1942 denunziert und wegen angeblicher Sabotage ins Ge­fäng­nis nach Moabit überstellt, wo er vier Monate in Einzelhaft verbringen muss. Von dort aus wird er im Frühjahr 1943 nach Auschwitz deportiert. Er überlebt als Ein­zi­ger von elf Geschwistern: nicht nur das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, sondern auch Buchenwald, Dora und Bergen-Belsen. Als der national­sozialistische Terror endet, ist er achtzehn Jahre alt.

Sehr bald nach Kriegsende beginnt Otto Rosenberg politisch zu arbeiten. Er kämpft für die gesellschaftliche Gleichstellung von Sinte*zza und Rrom*nja und wird zu einer wich­ti­gen Stimme der Bürgerrechtsbewegung. 1978 gehört er zu den Mit­be­grün­der*­innen der Cinti Union Berlin, dem heutigen Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, und wird dessen langjähriger Vorsitzender. Außerdem ist er als Vorstandsmitglied des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma tätig.

Rosenbergs Engagement richtet sich auf die Anerkennung des Zwangslagers Mar­zahn und die Entschädigung der Überlebenden als Opfer des National­sozia­lismus. Dass diese Bemühungen 1987 von Erfolg getragen sind, verdankt sich zu einem großen Teil seiner Beharrlichkeit. 1998 wird er mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Im selben Jahr erscheint seine Autobiographie „Das Brenn­glas“. 

Otto Rosenberg bei einer Gedenkveranstaltung, Parkfriedhof Berlin-Marzahn, 1990

In zahllosen Zeitzeugengesprächen und Diskussionsrunden fordert Rosenberg nicht nur unermüdlich ein gesellschaftliches Umdenken ein. Er bringt auch verdrängte Ge­schich­ten ins öffentliche Gedächtnis zurück und ist an ihrer Aufarbeitung be­tei­ligt. Dazu gehört auch das Schicksal jener Sinte*zza und Rrom*nja, die als Kompars*innen für den Film „Tiefland“ der Regisseurin Leni Riefenstahl zwangsverpflichtet und von denen die meisten in Auschwitz ermordet worden sind.

Die Einrichtung einer Gedenk- und Erinnerungsstätte am Ort des ehemaligen Zwangs­­lagers Marzahn und die Einweihung des Denkmal-Mahnmals für die im National­sozia­lismus ermordeten Sinti und Roma Europas erlebt Otto Rosenberg trotz seines lang­jäh­rigen Einsatzes nicht mehr. Er stirbt am 4. Juli 2001 in Berlin. Seine Tochter Petra Rosenberg führt als Leiterin des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg seine Arbeit fort. Sie initiiert 2007 die Um-/Benennung der „Otto-Rosen­berg-Straße“ und realisiert 2011 die Dauerausstellung am Ort der Ge­denk­stätte „Zwangslager Berlin-Marzahn“