Die Friedrichsgracht
Koloniale Beteiligungen: Brandenburg-Preußen im Transatlantischen Versklavungshandel
Fort Groß-Friedrichsburg, 2014 ©Philip Metz
Im 17. Jahrhundert lässt Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 - 1688) einen Spreearm kanalisieren, dessen Uferstraße bis heute seinen Namen trägt. Die Bezeichnung „Gracht“ ist kein Zufall: Der in den Niederlanden aufgewachsene Herrscher eifert der damaligen Weltmacht in Vielem nach und will Brandenburg zur kolonialen Seemacht entwickeln. Mit Hilfe eines niederländischen Großreeders schafft der Kurfürst eine Hochseeflotte an. 1682 gründet er die Brandenburgisch-Africanische Compagnie. 1683 legt sein Offizier von der Gröben die Kolonialfestung Groß-Friedrichsburg im heutigen Princes Town/Pokeso in Ghana an.
Die nach niederländischem Vorbild geschaffene Brandenburgisch-Africanische Compagnie ist eine der ersten deutschen Aktiengesellschaften. Ihr „Kerngeschäft“: der Handel mit versklavten Menschen. Dafür pachtet der Kurfürst auf der von Dänemark kolonisierten Karibikinsel St. Thomas sogar einen eigenen Markt. Innerhalb weniger Jahre werden über 20.000 Kinder, Frauen und Männer aus Afrika in die Plantagensklaverei der Amerikas verschleppt. Anfang der 1690er Jahre übertrifft die Zahl der Deportierten sogar kurzzeitig die der englischen und niederländischen Konkurrenz.
Auf den Schiffen der kurbrandenburgischen Flotte leisten verschleppte Afrikaner*innen oft erbitterten Widerstand. 1688 geht bei einem solchen Aufstand die Braunfisch „verloren“. Auf der Friedrich Wilhelm zu Pferde versuchen die Deportierten während einer Überfahrt sogar zweimal, sich zur Wehr zu setzen. Die Namen der Menschenhändler sind überliefert; die Namen derer, die Widerstand leisten, sind es nicht.
Auch in Berlin selbst ist man aus Gründen der Zurschaustellung von Macht und Ansehen an afrikanischem Dienstpersonal sehr interessiert. Bis 1706, als die M***-Straße ihren Namen erhält, lässt sich neben Ebnu, einem in Spandau wohnhaften guineischen Jugendlichen, und Friedrich de Coussy, einem ausgebildeten Kunstmaler am Hofe der Kurfürstin, die Anwesenheit von mindestens vierzehn weiteren Schwarzen Menschen in Berlin nachweisen. Bis zum Verkauf der Kolonialfestung Groß-Friedrichsburg 1717 kommen mehr als zwanzig Personen hinzu. Viele von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
Die Jungen (und wenigen) Mädchen teilen ihr Schicksal und ihren unfreien Status mit einer größeren Anzahl kriegsgefangener Muslim*innen, die Ende des 17. Jahrhunderts nach Berlin verschleppt werden. Bezeichnenderweise beginnt nicht nur die Geschichte von Schwarzen, sondern auch die von pauschal als „Türken“ bezeichneten Berliner*innen im Kontext von Verschleppung und Unfreiheit. Gemeinsam trifft sie das Schicksal einer erzwungenen Migration.