„Gestern Integration, heute Abschiebung“

In den 1970er und 1980er Jahren werden in der BRD und West-Berlin mehrere Regelungen erlassen, die zu einer getrennten Beschulung und ungleichen Behandlung vieler Kinder und Jugendlicher mit einer anderen als der deutschen Staatsbürgerschaft führen. Kritik und Widerstand bleiben nicht aus.

Demonstration für gleiche Rechte in der Schule und gleiche Ausbildungschancen am Kottbusser Damm in West-Berlin, 1975 ©Jürgen Henschel

Von der getrennten Beschulung und Ungleichbehandlung sind anfangs vor allem die Kinder von Arbeitsmigrant*innen betroffen. In West-Berlin dürfen sie nur dann eine Regelklasse besuchen, wenn ihr Anteil in der Klasse unter 20 %, ab 1982 unter 30 % beträgt. Andernfalls werden sie in sogenannten 'Ausländer-Regelklassen' unterrichtet. Schüler*innen ohne deutsche Sprachkenntnisse kommen in Vorbereitungsklassen und sollen nach spätestens zwei Jahren in eine Regelklasse wechseln. Tatsächlich bleiben viele wesentlich länger in diesen Klassen.

Schüler*innen, die bei der Einreise älter als 14 sind und nach Ansicht des zuständigen Bezirksamtes den Hauptschulabschluss innerhalb von zwei Jahren nicht erreichen werden, müssen 'Eingliederungslehrgänge' besuchen und erhalten keinen Schulabschluss.

Kinder von Arbeitsmigrant*innen, sowie Kinder und Jugendliche mit Duldung bzw. im Asylverfahren werden zudem überdurchschnittlich häufig an Haupt- und Sonderschulen verwiesen oder verlassen die Schule ganz ohne Abschluss.

Eltern, Schüler*innen und migrantische Selbstorganisationen versuchen durch Demonstrationen, Gerichtsklagen und Protestschreiben gegen die rassistischen Zugangsbarrieren zu schulischer Bildung vorzugehen. Sie kritisieren die schlechten Bildungs- und Berufschancen, fordern den Ausbau des mehrsprachigen Unterrichts sowie Inhalte in den Lehrplänen, die die vielfältigen kulturellen und geschichtlichen Bezüge der Schüler*innen widerspiegeln. Gleichzeitig setzen sie sich gegen die aufenthaltsrechtliche Unsicherheit vieler Kinder und Jugendlicher und gegen Abschiebungen ein.

Demonstration gegen einen Erlass, der die Familienzusammenführung erschweren und die Abschiebung von Jugendlichen erleichtern soll am Hermannplatz in West-Berlin, 1981 ©Jürgen Henschel

Dass mit dem nötigen politischen Willen ein anderer Weg möglich ist, zeigt der Umgang mit Aussiedler*innen. So erhalten Kinder und Jugendliche beim Zuzug nach Deutschland nicht nur umgehend einen gesicherten Aufenthalt, sondern werden in West-Berlin grundsätzlich in Regelklassen aufgenommen. Bei fehlenden Deutschkenntnissen erhalten sie entweder ergänzenden Unterricht oder werden maximal ein Jahr in Förderklassen unterrichtet.