Gleiche Rechte für Alle?!
Immer wieder wird die getrennte Beschulung abgeschafft – und unter Protesten wieder eingeführt. 'Geduldete' und illegalisierte Kinder und Jugendliche kämpfen weiterhin für ihre Rechte.
Jugendliche ohne Grenzen demonstriert 2014 in Bonn anlässlich der Innenministerkonferenz ©Jugendliche ohne Grenzen
alle bleiben! demonstriert 2011 in Wiesbaden anlässlich der Innenministerkonferenz ©alle bleiben!
Für Kinder und Jugendliche, die 'geduldet' werden oder sich im Asylverfahren befinden, gilt in Berlin seit Anfang der 1990er Jahre die Schulpflicht. Doch Initiativen wie Jugendliche ohne Grenzen und alle bleiben! weisen durch Kampagnen, Aktionen und Demonstrationen immer wieder darauf hin, dass der Zugang zu schulischer und beruflicher Bildung für sie mit vielen Hürden verbunden und aufgrund des unsicheren Aufenthaltsstatus von massiver Unsicherheit geprägt ist. Illegalisierte Kinder und Jugendliche, also solche ohne Aufenthaltstitel, haben weiterhin nur ein Schulbesuchsrecht. Doch auch das ist in der Praxis nur schwer umzusetzen.
Nach jahrzehntelangen Protesten von Eltern, Schüler*innen und migrantischen Selbstorganisationen werden 1995 die 'Quotenregelung' und die 'Ausländer-Regelklassen' abgeschafft. Gleichzeitig wird die schulische Besserstellung von Aussiedler*innen aufgehoben.
Die 'Eingliederungslehrgänge' werden mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 eingestellt. Eine getrennte Beschulung ist aufgrund der Staatsbürgerschaft nicht mehr zulässig, aber wegen fehlender Deutschkenntnisse weiterhin möglich. Erst 2007 werden auch Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse in Regelklassen eingeschult und lernen Deutsch ergänzend in Lerngruppen.
Seit dem Schuljahr 1997/98 wird die 'nichtdeutsche Herkunftssprache' ('ndH') eines Kindes beim Schuleintritt dokumentiert. Es gibt keine klaren Regelungen, wer darüber bestimmt und die Einordnung sagt nichts über einen tatsächlichen Förderbedarf in Deutsch aus. Viele Eltern meiden Schulen mit hohem 'ndH-Anteil'. Einige versuchen, die Schulleitungen dazu zu bewegen, den Anteil von 'ndH'-Kindern in der Klasse ihrer eigenen Kinder gering zu halten. Auch gibt es Schulleitungen, die von vornherein getrennte Klassen einrichten. Das ist rechtswidrig und wird in den Fällen, die gemeldet werden, wieder rückgängig gemacht.
Mit der Einführung von sogenannten 'Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse' ('Willkommensklassen') wird seit dem Schuljahr 2011/12 wieder ganz legal getrennt unterrichtet. Das betrifft zunächst vor allem Rom*nja ohne deutsche Staatsangehörigkeit und ruft Widerspruch und Protest von Gruppen wie dem Romano-Bündnis hervor.
Protestflyer des Romano-Bündnisses zur Verabschiedung des Berliner Aktionsplan für die Einbeziehung ausländischer Roma, in dem unter anderem die Einführung von 'Willkommensklassen' gerechtfertigt wird ©Nihad Nino Pušija
In den folgenden Jahren besuchen immer mehr Schüler* innen ohne Deutschkenntnisse eine 'Willkommensklasse', vorwiegend geflüchtete Kinder und Jugendliche und solche aus (süd-)osteuropäischen Ländern. Dem Unterricht liegen weder Konzepte noch Materialien zugrunde, lediglich unverbindliche Handlungsempfehlungen, sodass die Lehrkräfte nach eigenem Ermessen über den Unterrichtsstoff und die Versetzung in eine Regelklasse entscheiden. Der Unterricht findet häufig in separaten Räumen oder Gebäuden statt.
Sabina Salimovska - Dozentin zu Kinderrechten, seit 2015 Schulmediatorin, RAA Berlin - berichtet über die Verhältnisse in sogenannten 'Willkommensklassen' und die Herausforderungen beim Wechsel in eine Regelklasse. Im zweiten Abschnitt schildert sie ihre Arbeit in einer von ihr gegründeten Kinderrechte-AG und wie Schüler*innen das dort Gelernte für ihren Schulalltag nutzen.