Recht auf freie Berufswahl

Die Lehrerin Fereshta Ludin erfährt aufgrund von Herkunft, Religion und Geschlecht Diskriminierung. Als sie nicht in den staatlichen Schuldienst übernommen wird, zieht sie vor Gericht.

Fereshta Ludin in Berlin, 2015 ©Daniel Gerlach

Nach erfolgreich abgeschlossenem Lehramtsstudium und Referendariat erhält die Lehrerin Fereshta Ludin vom baden-württembergischen Bildungsministerium eine Mitteilung: Sie darf trotz sehr guter fachlicher Leistungen nicht an staatlichen Schulen arbeiten, weil ihr dazu die 'persönliche Eignung' fehle. Streitpunkt ist ihr Kopftuch: Wenn sie es abnimmt, darf sie lehren, behält sie es auf, darf sie nicht. Im Unterschied dazu sind christliche Symbole und Nonnenhabit an Schulen erlaubt.

Bereits vor Beginn und im Laufe ihrer praktischen Ausbildung als Lehrerin wird sie mehrfach auf ihr Kopftuch angesprochen. Sie erklärt, warum sie es trägt und dass sie sich verstellen würde, wenn sie es ablegte. Aber das kommt für sie ohnehin nicht in Frage. Einigen reicht diese Erklärung. Sie sind nur an ihren fachlichen und pädagogischen Fähigkeiten interessiert. Andere meinen, dass sie sich abgrenze, nicht als Vorbild eigne und dass das Kopftuch ein politisches Symbol sei, das in der Schule nichts verloren habe.

Fereshta Ludin findet sich nicht damit ab, ihren Beruf nicht ausüben zu dürfen. Sie wehrt sich dagegen, dass andere Menschen sich das Recht herausnehmen, zu entscheiden, welche Bedeutung das Kopftuch für sie hat und dass sie meinen, sie deswegen be- und verurteilen zu dürfen. 2000 klagt sie und verliert den Prozess. Sie geht in Berufung und dann durch alle Instanzen, bis sie schließlich vom Bundesverfassungsgericht 2003 Recht bekommt: Die Entscheidung, sie nicht in den Schuldienst zu übernehmen, war nicht rechtens. Das oberste Gericht sagt damit aber nicht, dass Lehrerinnen* Kopftuch tragen dürfen, sondern lediglich, dass es kein Gesetz gibt, das es ihnen verbietet.

Fereshta Ludin - *1972, Lehrerin - klagte gegen das Berufsverbot, das sie aufgrund von Geschlecht, Herkunft und Religion diskriminierte.

Im Anschluss an dieses Urteil erlassen einige Bundesländer Regelungen zur Kopftuchfrage. Dort, wo Muslim*innen nicht arbeiten dürfen, klagen sie und fordern ihre Grundrechte auf freie Berufswahl und auf freie Religionsausübung ein. 2015 ergeht ein höchstrichterliches, für alle Bundesländer bindendes Bundesverfassungsgerichtsurteil: Ein grundsätzliches Kopftuchverbot für Lehrerinnen* an staatlichen Schulen ist nicht erlaubt. Schließlich ist die Bundesrepublik ein säkularer (und kein laizistischer) Staat: Die Religionsfreiheit ist durch das Grundgesetz geschützt. Das Bundesverfassungsgericht teilt mit:

"Die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität ist nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung. Dies gilt auch für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule. Die bloße Sichtbarkeit religiöser oder weltanschaulicher Zugehörigkeit einzelner Lehrkräfte wird durch die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates nicht ohne Weiteres ausgeschlossen."

©Soufeina Hamed