„Polen“- und „Ostarbeitererlasse“: Rassistische Sondergesetze der NS-Behörden

Am 1. Septem­ber 1939 er­öff­nen deut­sche Trup­pen mit dem An­griff auf Polen den Zwei­ten Welt­krieg. Zwei Tage spä­ter rich­ten deut­sche Staats­die­ner*in­nen das erste Arbeits­amt ein. Im Januar 1940 ist der Auf­bau der natio­nal­so­zia­listi­schen Arbeits­ver­wal­tung im be­setz­ten Polen lan­des­weit um­ge­setzt. Mit Ver­wal­tungs­struk­tu­ren und einem Arbeits­zwang für alle Per­so­nen von 14 bis 60 Jahren schafft das NS-Re­gime die Vor­aus­setzung für die Aus­beu­tung polni­scher Men­schen in der deut­schen Kriegs­wirt­schaft.

Ein ent­mensch­lichen­des Instru­ment zur Durch­setzung von Ver­schlep­pung und Zwangs­arbeit sind die so­ge­nann­ten „Polen-Er­las­se“. Sie tre­ten im März 1940 in Kraft und bil­den die Grund­lage für die „Ost­arbei­ter-Er­las­se“, die zwei Jahre später, nach dem Über­fall auf die Sow­jet­union, wirk­sam werden. Die Sonder­ge­setz­ge­bung gilt nur für pol­ni­sche und sowje­ti­sche Zwangs­arbei­ter*in­nen. Dass die NS-Pro­pa­gan­da die be­trof­fe­nen Men­schen zu „fremd­völ­ki­schen“ An­ge­hö­ri­gen „un­freier Arbeits­völ­ker“ er­klärt, hat für ihre Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen.

Das "Ostarbeiter-Abzeichen"

Zwangs­arbei­ter*in­nen müs­sen auf ihrer Klei­dung die Auf­näher „P “ oder „Ost“ tra­gen. Kon­tak­te zur deut­schen Be­völ­ke­rung sind ihnen streng­stens ver­bo­ten. Sie wer­den in ge­schlos­se­nen Unter­künf­ten iso­liert unter­gebracht, unter­lie­gen einer poli­zei­li­chen Melde­pflicht und dür­fen sich nicht von ihrem Aufent­halts­ort ent­fer­nen. Die Arbei­ten, zu denen sie ein­ge­setzt wer­den, sind be­son­ders schwer. Sie er­hal­ten weni­ger Lohn und Ver­pfle­gung und dür­fen kör­per­lich ge­züch­tigt wer­den. Bei Nicht­be­fol­gen von An­wei­sun­gen dro­hen dra­ko­ni­sche Stra­fen – vom Arbeits­er­zie­hungs­lager bis zur Hin­rich­tung.

Ein Drittel der zur Zwangs­arbeit ein­ge­setz­ten polni­schen und sow­je­ti­schen Men­schen sind Frauen. Im Falle einer Schwan­ger­schaft gilt für sie kein Mutter­schutz. Die NS-Be­hör­den brin­gen Neu­ge­bo­re­ne in so­ge­nann­ten „Aus­län­der­kinder-Pfle­ge­stät­ten ein­fach­ster Art“ unter, wo sie vor­sätz­lich unter­ver­sorgt wer­den. Das deut­sche „Pflege“­per­so­nal ist so für den Tod von etwa 200.000 Säug­lin­gen und Klein­kin­dern ver­ant­wort­lich.

Trotz ihrer schwie­ri­gen Lage leisten viele Men­schen Wider­stand. Sie tragen ihre Auf­näher nicht, arbei­ten lang­samer, täu­schen Krank­hei­ten vor und ver­suchen zu flie­hen. Für viele ist je­doch auch nach Kriegs­ende der Leidens­weg nicht zu Ende. Sowjetische Zwangsarbeiter*innen sind nach ihrer Rückkehr häufig staatlichen Repressionen ausgesetzt. Sie werden unter dem Vorwurf der "Feindkollaboration" festgenommen und müssen viele weitere Jahre Zwangsarbeit in Lagern leisten. In der Bun­des­re­pub­lik ist die Tat­sache, dass die Mehrheits­be­völ­ke­rung den rassisti­schen Zwangs­einsatz von Millio­nen so­ge­nann­ter „Ost­arbei­ter*in­nen“ mit­ge­tra­gen und davon pro­fi­tiert hat, kein Thema (mehr).