Wilhelmstraße 92: Die Gedenktafel Berliner Afrika-Konferenz
Zeichen setzen: Die Anfechtung herrschender Geschichtsversionen
Gedenktafel zur Erinnerung an die Berliner Afrika-Konferenz, 2016
Seit dem 26. Februar 2005 erinnert eine bescheidene metallene Stele an ein Ereignis von weltgeschichtlicher Dimension: „Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit haben sich die Staaten eines Kontinents zur Aufteilung eines anderen zusammengefunden, eines Erdteils, dessen rechtmäßige Herrscher von dieser Aufteilung nicht einmal Kenntnis hatten.“ Das kleine Denkmal ist von der Afrikanischen Community initiiert worden, um die Berliner Afrika-Konferenz ins öffentliche Gedächtnis zu rufen. In der Bundeshauptstadt selbst scheint man sich an dieses Ereignis nicht erinnern zu wollen.
Auf Einladung des deutschen Kaisers und des französischen Präsidenten kommen am 15. November 1884 die Vertreter zwölf europäischer Staaten, der USA und des Osmanischen Reichs im Palais des Reichskanzlers zusammen. Ihr Ziel ist es, „nationale Interessen“ an kolonialen Besitzungen und Einflusssphären zu verhandeln. Die Konferenz stellt den dramatischen Höhepunkt eines Prozesses dar, der bereits seit mehreren Jahrhunderten andauert: die europäische Aneignung Afrikas.
Als Gastgeber spielt das Deutsche Reich eine tragende Rolle. Es macht seine ökonomischen „Ansprüche“ auf „Schutzgebiete“ in den heutigen Staaten Namibia, Togo, Kamerun, Tansania, Burundi und Ruanda geltend. Die Konferenzteilnehmenden machen keinen Hehl daraus, worum es im „Wettlauf um Afrika“ wirklich geht: die Profit und Ansehen versprechende Vereinnahmung von Land, Bodenschätzen und Arbeitskräften. Für die Menschen, über deren Besitz und Leben am Reißbrett in Berlin entschieden wird, heißt das: Enteignung, Entrechtung, Vertreibung, Unterdrückung und Ausbeutung, durchgesetzt mit brutaler administrativer und militärischer Gewalt – bis hin zum Völkermord.
In der europäischen Geschichtsschreibung wird die Berliner Afrika-Konferenz häufig als zweitrangiges historisches Ereignis abgetan. Auf diese Weise lassen sich viele geschichtliche Zusammenhänge und ihre Folgen verdrängen. Das betrifft nicht nur die von Deutschen verübten kolonialen Verbrechen, sondern auch den antikolonialen Widerstand afrikanischer Bevölkerungen, die heutigen Nachwirkungen des deutschen Kolonialismus auf die deutsche Gesellschaft und nicht zuletzt die aktuellen Kämpfe gegen Rassismus und weißes Überlegenheitsdenken.
In Schwarzen Geschichtsschreibungen gilt die Berliner Afrika-Konferenz als Schlüsselereignis, welches das afrikanisch-europäische Verhältnis bis heute prägt. Sie dient als ein Ausgangspunkt, um die komplexen historischen Prozesse und individuellen Erfahrungen, die mit dem Kolonialismus und kolonialer Gewalt verbunden sind, zu erinnern und sichtbar zu machen, zu analysieren und einzuschreiben.