Zivilisierungsmission: Der christliche Beitrag zum kolonialen Projekt in Afrika

Kolo­nial­poli­tik und christ­liche Mission sind sich einig, dass kolo­ni­sier­te Menschen Arbeit für Weiße zu leisten haben. Den Akteu­r*in­nen der deut­schen Kolo­nial­macht ist an­ge­sichts des Wider­stands ein­heimi­scher Be­völ­ke­run­gen klar, dass eine ent­spre­chen­de Or­ga­ni­sa­tion von Arbeit nur mit Ent­rech­tung, Nö­ti­gung und Zwang durch­zu­setzen ist. An den Dis­kus­sio­nen, mit welchen Mitteln sich ge­zielt Ab­hän­gig­­keits­ver­hält­nis­se schaf­fen und Arbeits­kräf­te re­kru­tie­ren lassen, sind Ver­tre­ter*­­in­nen christli­cher Kir­chen von Anfang an maß­geb­lich be­tei­ligt.

1885 ge­winnt der evan­ge­li­sche Missio­nar Alexan­der Merensky eine von der Deutsch-­­Ost­afrika­ni­schen Gesell­schaft aus­ge­schrie­be­ne Preis­auf­ga­be. Die Frag­e­­stel­lung lau­tet, wie Afrika­ner*in­nen „am besten zur Planta­gen-Arbeit er­zo­gen wer­den kön­nen“. Merensky schlägt vor, die Menschen mit Ab­ga­ben auf Hüt­ten und Grenz­ziehun­gen auf dem Land zu „Schuld­nern“ und „Höri­gen“ zu machen. Ihre „Schul­den“ müss­ten sie dann auf deut­schen Planta­gen ab­arbei­ten. Für die Be­trof­fe­nen heißt das kon­kret: die schritt­weise Be­schlag­nahme ihres Bodens, die Ein­schrän­kung ihrer Be­we­gungs­frei­heit und ihre recht­liche Ent­mün­di­gung.

Die Aus­beu­tung von Menschen in Syste­men un­freier Arbeit und die In­an­spruch­­nah­me ihrer Arbeits­kraft für die Kolo­nial­wirt­schaft wird von christ­li­chen Missio­nar*­­in­nen aktiv unter­stützt. Sie wird nicht nur als Hilfe zur Ent­wick­lung um­de­fi­niert, son­dern auch offen rassis­tisch be­grün­det. Wie Carl Mirbt, einer der füh­ren­den Missions­wissen­schaft­ler, er­klärt, kann und darf „die zu leisten­de phy­si­sche Arbeit nicht durch Euro­päer ge­sche­hen“. Um „tüch­ti­ge, ge­wis­sen­haf­te, arbeits­freudi­ge Arbei­ter heran­[zu]bil­den [...], hat das deut­sche Volk das Recht, einen Zwang aus­zu­üben. [...] Vom Stand­punkt des Christen­tums aus ist gegen dies Ver­fah­ren nichts ein­zu­wen­den“.

Auch weiße deut­sche Frauen sind am kolo­nia­len Er­zie­hungs­pro­jekt be­tei­ligt. Missio­na­rin­nen enga­gie­ren sich vor allem in kari­ta­ti­ven und sozia­len Ein­rich­tun­gen. Ihr Haupt­augen­merk rich­tet sich auf ein­hei­mi­sche Frauen und Mäd­chen, um ihnen das Christen­tum nahe­zu­brin­gen, sie zu „christ­li­chen Haus­frauen“ zu „er­zie­hen“ und zur Arbeit zu dis­zip­li­nie­ren.

Er­klär­tes Ziel der Missio­nen ist es, dass ein­hei­mi­sche Be­völ­ke­run­gen christ­li­che Wer­te und Arbeits­vor­stel­lun­gen so­wie die kolo­nia­le Ord­nung akzep­tie­ren und ver­inner­li­chen. Eines der wichtig­sten Instru­men­te, um vor allem die nach­­wach­sen­de Gene­ra­tion im Sinne von Mission und Kolo­nial­poli­tik zu „er­zie­hen“, sind christliche Missions­schulen. In den von Missio­na­r*in­nen ge­führ­ten Ein­rich­tun­gen werden „Wissen“ und Fertig­kei­ten ver­mit­telt, die eng am kolo­nia­len Be­darf aus­ge­rich­tet sind.