Christliche Missionsschulen: Wissen auslöschen und Untertanen heranziehen

Das Schul­we­sen in den deutsch be­setz­ten Ge­bie­ten ist streng seg­re­giert, weiße und Schwar­ze Kin­der be­suchen je­weils eige­ne Schulen. Der Unter­richts­stoff an den Mis­sions­schulen ist für ein­hei­mi­sche Schü­ler*in­nen ge­zielt be­schränkt: Neben Lesen, Schreiben und Rech­nen er­ler­nen sie nur solche Fer­tig­kei­ten, die im kolo­­nia­­len Kon­text als „nütz­lich“ gelten: Jun­gen in den Berei­chen Land­wirt­schaft, Vieh­zucht und Hand­werk, Mäd­chen im Bereich Haus­wirt­schaft.

Evangelische „Arbeitsteilung“: Missionsschüler*innen bei der Bananenernte, Postkarte, o.J.

Für ein­heimi­sche Fami­lien ist der Wissens­er­werb ihrer Kin­der hin­gegen eng mit ihrem kon­kre­ten Lebens­all­tag ver­bun­den. Schon die Jüng­sten tra­gen zum Gemein­­wohl bei und über­neh­men Ver­ant­wor­tung. Da Missions­schulen die dafür not­wen­di­gen Kennt­nisse nicht ver­mit­teln, sehen viele Eltern keinen Grund, ihre Kinder dort­hin zu schicken. Um den Schul­besuch zu erzwin­gen und „erzie­he­risch“ zu wir­ken, füh­ren Missio­nen mit Unter­stützung der Kolo­nial­be­hör­den Sank­tio­nen ein, die von Geld­­bußen über Prü­gel­strafen bis hin zu Poli­zei­ge­walt reichen. Zu­dem ver­su­chen Missio­na­r*in­nen mit der Ein­rich­tung von Inter­na­ten, ihren Ein­fluss auf Kinder und Jugend­liche zu ver­stär­ken.

Noch wir­kungs­voller sind ge­schlos­se­ne christ­liche Dorf­ge­mein­schaf­ten. Dort­hin werden ver­sklav­te Afrika­ner*in­nen ge­bracht um fern­ab loka­ler Ge­sell­schaf­ten zu „neuen“ Menschen „er­zo­gen“ zu wer­den. Die christ­liche Unter­wei­sung geht mit einem stren­gen All­tags- und Arbeits­regime ein­her: der Ver­rich­tung von Feld- und Haus­arbeit für die Missio­na­r*in­nen. Mit Preis­listen für „frei­zu­kau­fen­de“ Kin­der wer­ben Missions­werke um „wohl­täti­ge“ Spen­der*in­nen in Deutsch­land, die im Gegen­­zug den Tauf­nah­men „ihres“ Paten­kindes be­stim­men dür­fen.

Katholische „Wohltätigkeit“: An weiße Kinder gerichteter
Spendenaufruf des Aachener Kindheit Jesu Vereins, o.J.

Nur eine kleine Elite er­hält an den Missions­schulen eine höhe­re Aus­bil­dung, die darauf zielt, die Kolo­nial­ver­wal­tung mit dienst­baren Unter­beam­ten zu ver­sor­gen. Diese sollen auf lange Sicht da­bei helfen, „deut­sche“ Interes­sen durch­zu­setzen. Die Hal­tung der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­run­gen gegen­über solchen „Erzie­hungs­­anstal­ten“ ist äußerst zwie­ge­spal­ten. Ob­wohl eine christ­lich-euro­päi­sche Schul­­bi­ldung ge­wis­se beruf­liche Mög­lich­kei­ten er­öff­net, ist sie mit Ent­frem­dung und Ge­walt ver­knüpft.

Es über­rascht nicht, dass Missions­schüler*in­nen ihre Ein­blicke nutzen, um gegen Un­gerech­tig­keiten vor­zu­gehen oder das Kolo­nial­system als solches zu be­kämpfen. So wird z.B. der be­waff­ne­te Wider­stands­kampf der OvaHerero und Nama in „Deutsch-­Süd­west“, heute Nami­bia, von zwei ehe­ma­li­gen Missions­schülern an­ge­­führt: Samuel Maharero und Hendrik Witbooi. Wie viele der zahl­reichen, am antikolonialen Kampf be­teilig­ten, Frauen zu­vor in Missions­schulen unter­rich­tet wor­den sind oder Arbeit in Missions­sta­tio­nen ge­leistet haben, ist nicht b­ekannt.

Porträt des Nationalhelden Hendrik Witbooi auf einer
namibischen Banknote