Alles, was Genuss verspricht: Die Erschaffung kolonialer Welten in Berlin

Das Deutsche Kolo­nial­haus bietet nicht ein­fach nur „Kolo­nial­waren“ an, es prä­sen­tiert auch ein dazu­gehö­ri­ges Welt­bild. Um der poten­tiel­len Kund­schaft ein „echtes“ Ge­fühl von Kolo­nial­herr­schaft zu ver­mitteln, wer­den Ver­kauf und Kon­sum als Event insze­niert. Als be­son­ders werbe­wirk­sam er­weist sich dafür die Zur­schau­stel­lung von Schwarzen Menschen und People of Color.

Kolonialalltag in Berlin: Kinder und Jugendliche präsentieren Waren des Deutschen Kolonialhauses, um 1899

Für diese ent­wür­di­gen­de Ge­schäfts­praxis ver­fügt Bruno Antel­mann, der In­ha­ber des Kolo­nial­kauf­hauses, gleich über meh­re­re „An­ge­stell­te“, welche die Kund­schaft be­die­nen: Tilili und Towaulèau aus Neu­guinea; Acheli, Jonathan Tometi, Joseph Byll und Kwassi Bruce aus Togo; Otto Bell aus Kame­run und Heinrich Boston aus Liberia. Auf einige der Kinder und Jugend­lichen ist Antel­mann wäh­rend der Berli­ner Ge­wer­be­aus­stel­lung auf­merk­sam ge­wor­den.

Im Rah­men dieses als „Welt­aus­stel­lung“ ge­plan­ten Groß­er­eig­nis­ses, das 1896 im Trep­tower Park statt­fin­det, wird auch die Erste Deutsche Kolo­nial­aus­stel­lung ver­an­stal­tet. Der Zweck des Massen­spek­ta­kels ist dop­pel­ter Natur: Wer­bung für Deutsch­lands Kolo­nial­reich und Stei­ge­rung des Ge­schäfts mit kolo­nia­len Pro­duk­ten. Dafür wer­den zahl­reiche Dar­stel­ler*in­nen aus Afri­ka und Ozea­nien per Kon­trakt ver­pflich­tet. Für über ein halbes Jahr be­steht die Auf­ga­be der 103 Männer, Frauen und Kinder vor allem darin, sich „landes­typisch“ als „Kolo­nial­unter­tanen“ zu präs­en­tie­ren.

Fak­tisch han­delt es sich dabei um eine der größten Völker­schauen in der deutschen Ge­schichte. Einem zahlen­den weißen Publi­kum Menschen aus ande­ren Teilen der Welt vor­zu­füh­ren, wird ab Mitte des 19. Jahr­hun­derts in ganz Euro­pa zu einem luk­ra­ti­ven Ge­schäft. Völker­schauen be­die­nen ein zu­tiefst rassisti­sches Menschen­bild. Sie machen eine Vor­stellungs­welt popu­lär, in der kolo­nia­le Er­obe­run­gen und die Unter­wer­fung und Aus­beu­tung von Men­schen als ge­recht­fer­tigt ers­cheinen.

Im Kon­text der Ersten Deutschen Kolo­nial­aus­stel­lung ge­lingt den Ver­an­stal­tern die Insze­nie­rung ihrer Vor­stel­lung einer ein­deu­ti­gen kolo­nia­len Ord­nung jedoch nur be­dingt. Bismarck Bell, An­ge­hö­ri­ger der Familie Bona­manga aus Kamerun, lässt sich nicht in folk­lo­risti­scher Klei­dung foto­gra­fie­ren und be­obach­tet wäh­rend der täg­li­chen Vor­stel­lun­gen das Pub­li­kum mit einem Opern­glas. Friedrich Maharero aus „Deutsch-Südwest“ nutzt seinen Aufent­halt, um diplo­ma­ti­sche Be­zie­hun­gen zu knüpfen und poli­ti­sche Ver­hand­lun­gen zu führen. Bernhard Epassi und Martin Dibobe
aus Kamerun treffen die Entscheidung, in Deutsch­land zu bleiben. Über die zahl­reichen Frauen, die als Dar­stel­le­rin­nen auf der Kolo­nial­aus­stel­lung arbei­ten, ist be­zeich­nen­der­weise fast nichts be­kannt.